Requirement-Paper - Allgemeine Aspekte

Empfehlungen und zu berücksichtigende Aspekte nach Projektabschluss

Im Rahmen des abgeschlossenen Forschungsprojekts wurden zentrale technologische, regulatorische und didaktische Entwicklungen identifiziert, die potenziell Einfluss auf die Weiterentwicklung und nachhaltige Nutzung der entwickelten Lösung haben. Im Folgenden sind die wesentlichen Punkte aufgeführt, deren Berücksichtigung für zukünftige Maßnahmen relevant ist:

1. Datenschutz und Regulierung

  • Einhaltung der DSGVO Künftige Entwicklungen sollten im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehen. Besonders im Fokus stehen hierbei Datenminimierung, Zweckbindung sowie transparente Datenverarbeitung.

  • Berücksichtigung des EU AI Acts Da die Plattform als potenzielles Hochrisiko-KI-System einzustufen ist, sind Anforderungen aus dem EU AI Act antizipierend zu berücksichtigen, etwa in Bezug auf Dokumentation, Erklärbarkeit und Risikobewertung.

  • Verzicht auf problematische Gruppierungen (Personas) Die Aggregation von Nutzerdaten zu konkreten Merkmalen (und somit die Erstellung von "Personas") ist kritisch zu hinterfragen. Es gilt, Risiken einer Re-Identifikation zu vermeiden und die rechtliche Zulässigkeit sorgfältig zu prüfen.

2. Interoperabilität und Standardisierung

  • Erweiterung der ESCO-Taxonomie Obwohl die Plattform bereits ESCO-Skills zur Kompetenzstrukturierung verwendet, besteht künftig Bedarf an fachspezifischen Ergänzungen, um domänenspezifische Anforderungen abzudecken.

  • xAPI-Kompatibilität sicherstellen Der Einsatz der xAPI als Standard ist beizubehalten, wobei auf eine einheitlichere und robustere Datenstruktur bei xAPI-Statements in kommenden Versionen zu achten ist.

3. KI-Nutzung und Personalisierung

  • Bevorzugung von Open-Source-LLMs Vor dem Hintergrund des Datenschutzes und der besseren Kontrollierbarkeit von Datenflüssen erscheinen Open-Source-Sprachmodelle perspektivisch vorteilhaft.

  • Weiterentwicklung der RAG-Architektur Die bestehende Infrastruktur auf Basis von Retrieval Augmented Generation (RAG) bildet das Fundament personalisierter Empfehlungen und sollte weiterentwickelt werden, um kontextsensitive Interaktionen zu ermöglichen.

  • Optimierung der Prompt-Datenbank Die Steuerung des AI-Companions erfolgt über strukturierte Prompts. Diese sollten fortlaufend gepflegt, erweitert und qualitativ optimiert werden (Stichwort: Prompt Engineering).

4. Didaktische Architektur (NAPIL°AI)

  • Automatisierung bedarfsgerechter Lernpfade Die Fähigkeit zur Generierung individueller Lernlösungen im „Moment of Need“ erfordert eine weitere Verfeinerung der Algorithmen zur Inhaltsaufteilung (Chunking) und zum semantischen Matching.

  • Stärkung der didaktischen Steuerung Das NAPIL°AI-System fungiert als didaktisches Steuerungsinstrument. Es wird empfohlen, zusätzliche relevante Datenpunkte für die Lernpfadsteuerung iterativ einzubeziehen.

5. Analyse- und Bewertungssysteme

  • Ausbau von Predictive Analytics Für eine effektive Erkennung von Lernmustern und zur Bewertung von Kompetenzentwicklungen sind leistungsfähige Datenmodelle und unterstützende Visualisierungstools (z. B. User Journey Visualizer) erforderlich.

  • Qualitätssicherung der KI-Ergebnisse Die Qualität der KI-Antworten hängt maßgeblich von der verwendeten Einbettungstechnologie (Embeddings), der Prompt-Strategie sowie der zugrundeliegenden Datenbasis ab. Diese Komponenten sollten kontinuierlich optimiert werden.

  • Systematische Auswertung von KI-Interaktionen Die aus KI-gestützten Nutzerinteraktionen gewonnenen Daten bergen hohes Potenzial für Learning Analytics. Eine strukturierte Auswertung könnte zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung beitragen.

Didaktische Erweiterung des digitalen Lehrformats (Hochschule Schmalkalden)

Ziel des digitalen Lehrformats von EduPLEx_API ist der Erwerb konkreter akademischer und beruflicher Handlungskompetenzen, die sich direkt im betrieblichen Alltag anwenden lassen. Besonders in diesem Kontext sind digitale Lernformate gefragt, die selbstbestimmte Lernen in kontrollierten Lernumgebungen unterstützen (Lernaspekt) und die das Angebot sehr spezifischer und dynamisch wechselnder Lehrinhalte ermöglichen (AutorInnenaspekt)

Beide Aspekte sollen in Zukunft in unserem digitalen Lehrformat umgesetzt werden, da beide derzeit von keiner Plattform für digitales Lernen in ausreichendem oder gar zufrieden stellendem Maße abgedeckt werden. Unsere Erfahrungen aus EduPLEx_API zeigen, dass die vielfältigen Facetten des Lernens von digitalen Instrumenten derzeit nur sehr punktuell und fragmentarisch adressiert werden. Das Lernen in seiner Komplexität und Vielseitigkeit zu unterstützen reicht weit darüber hinaus, was KI-gestützte und sprachorientierte Instrumente (wie ChatGPT-basierte Systeme) heute vermögen. Parameter wie Vergessensrate, Retention Rate, Identifikation produktiver Lernphasen etc. sind zwar theoretisch sehr gut beschrieben, aber in digitalen Lernformaten überhaupt nicht berücksichtigt. Die KI, insbesondere das Maschinelle Lernen, kann Instrumente liefern Lernende zu beobachten und Verhaltensparameter festzustellen, aus den Gestaltungsempfehlungen für digitale Lernformate abgeleitet werden können. Die Herausforderung für das digitale Lehrformat das Verhalten der Lernenden in seine Technologiegestaltung einzubeziehen bietet Chancen aber auch Risiken. In jedem Fall kann der Herausforderung nur über die Gestaltung einer neuen Technologie für das Lernen begegnet werden. Aufgabe der KI ist es in diesem Kontext Sprachmodelle mit statistischen Modellen, die das Verhalten (datenschutzrechtskonform) abbilden, so zu verknüpfen, damit Lernen nachhaltig unterstützt wird. Potentiale und Risiken werden sich erst im Rahmen der Technologiegestaltung umfänglich substanziieren.

1.1 Lernaspekt

Unser digitales Lehrformat soll auch die Generierung von Kursen unterstützen, die von den Lernenden autonom erlernt werden können. Ganz egal welche Inhalte erlernt werden sollen, es ist wichtig, dass die Lernenden sie erlernen können, wo und wann immer sich ein geeigneter Ort und ein geeigneter Zeitpunkt für ein effizientes und zielführendes Lernen ergibt. Neben der zeitlichen und inhaltlichen Flexibilität soll das digitale Lehrformat auch unterschiedliche Lernpräferenzen unterstützen, z. B. visuelles, auditives oder handlungsorientiertes Lernen, um eine möglichst effektive und motivierende Lernumgebung zu schaffen. Diese Rahmenbedingung schließt viele pädagogische Aspekte ein, die in den KI-Modellen für digitale Lernplattformen berücksichtigt werden müssen und die weit über den Bereich der sprach- oder LLM-gestützten KI hinausgreifen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Verhaltensaspekte des Lernens wie individuelles Zeitmanagement, Reflexionsimpulse, Leistungseinschätzung usw. in Lernplattformen für selbstbestimmtes Lernen wenn überhaupt in nur sehr rudimentärer Form berücksichtigt werden. Selbstbestimmtes Lernen kann nur dann erfolgreich sein, wenn es in kontrollierten Umgebungen stattfindet, in Umgebungen, die die Anwesenheit einer Tutorin oder eines Tutors so gut wie möglich simulieren können. Diese tutorielle Begleitung manifestiert sich in adaptiven Lernpfaden, gezielten Rückfragen, motivierenden Rückmeldungen und der dynamischen Anpassung von Inhalten an den Lernfortschritt und den individuellen Lernpfads. Es ist alles andere als trivial, einem Menschen den individuellen Lernpfad zu vergegenwärtigen, insbesondere dann, wenn Lerninhalte und Lernziele ihm noch unbekannt sind. Diese Ausgangssituation für das Lernen ist typisch für die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung, vor allem bei KMUs. Selbst wenn die Themen überbetrieblichen, fach- oder industriespezifischen Bezug haben, so müssen sie meistens mit spezifischen Realitäten gekoppelt werden, um die nötige praxisnahe Aneignung von neuem Wissen zu ermöglichen. Hier geht es um spezifisches Prozess-, Vorgangs- und Fachwissen, das im betrieblichen Kontext erst komplettiert und zur Anwendung kommt.

Das akademische Lernen unterscheidet sich davon deutlich. Studierenden sind Umfang und Struktur des zu erlernenden Wissensgebiets zumindest soweit vertraut, dass sie selbstständig (und mit KI-Unterstützung) Lehrmaterial zusammenstellen und sich daraus auch KI-gestützt Lernkontrollen erstellen lassen können. Sie kümmern sich selbständig um ihren Lernpfad, ihr Zeitmanagement und alle weiteren Aspekte, die erfolgreiches Lernen auszeichnen. Zumindest sollten sie das können. In einem betrieblichen Setting für die Aus- und Weiterbildung kann man nicht davon ausgehen, dass die MitarbeiterInnen diese Kultur des autonomen Lernens mitbringen. Das gilt auch in einigen Bereichen der akademischen Ausbildung von Studierenden, insbesondere in den Anfangsphasen des Studiums. Hier muss das digitale Lernformat in der Lage sein, Lernende an der Hand zu nehmen und sie auf ihrem Lernpfad zu begleiten.

Diese pädagogisch-didaktische Begleitung wird derzeit von keiner digitalen Lernplattform angeboten. Es geht dabei nicht nur um die Verknüpfung von mächtigen Sprachmodellen mit Lerninhalten, es geht auch und vor allem um die Gestaltung und Integration KI-gestützter Modelle, die Verhaltensaspekte des Lernens abdecken, um wirklich selbstständiges Lernen in kontrollierten Lernumgebungen zu ermöglichen. Dabei geht es um zahlreiche Fragestellungen, von denen hier exemplarisch nur einige wenige genannt werden sollen:

  • Wie kann die individuelle Rate des Vergessens oder Verlernens festgestellt und in individuelle Lernempfehlungen integriert werden.

  • Wie kann ein individueller Lernrhythmus so festgestellt werden, dass die daraus abgeleiteten Lernempfehlungen zur erfolgreichen Wissensaneignung führen.

  • Wie kann das Niveau der Lernkontrollen dem bisherigen individuellen Lernfortschritt so angepasst werden, dass es der Performanz der und des Lernenden entspricht und gleichzeitig das Erreichen der Lernziele sicherstellt.

1.2 AutorInnenaspekt

Ein weiteres zentrales Merkmal unseres digitalen Lehrformats soll die umfassende Unterstützung von AutorInnen bei der Erstellung digitaler Lerninhalte sein. Gerade in der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung übernehmen häufig Fachexpertinnen ohne pädagogische oder didaktische Ausbildung die Rolle von TutorInnen – und damit auch die Verantwortung für die Qualität der Wissensvermittlung. Dieser Herausforderung kann mit einer Vielzahl KI-gestützter Werkzeuge begegnet werden, die eine strukturierte, lernwirksame und mediengerechte Aufbereitung von Inhalten ermöglichen. In der akademischen Lehre werden Lerninhalte meist über Jahre hinweg von Personen mit didaktischer Expertise entwickelt und gepflegt. Diese Inhalte zielen auf übergreifende Bildungskompetenzen und sind in der Regel stabil strukturiert. In der betrieblichen Realität hingegen sind die zu vermittelnden Wissensgebiete oft kleinteiliger, stark kontextbezogen und unterliegen einer hohen Veränderungsdynamik. Inhalte müssen oft schneller, zielgruppen-spezifischer und adaptiver erstellt werden. Wir gehen davon aus, dass AutorInnen im betrieblichen Kontext Lehrthemen zunächst grob beschreiben und mit einer Sammlung vorhandener Materialien wie Texten, Bildern oder Videos anreichern. Auf dieser Basis generiert unser Digitalformat Vorschläge für eine geeignete inhaltliche Struktur, inklusive Einleitung, Kernabschnitten und Lernzielkontrollen. Die Inhalte werden in einem didaktisch sinnvollen Aufbau aufbereitet, abgestimmt auf Zielgruppe, Lernziel und Praxiskontext. Dabei greifen integrierte Assistenten auf bewährte Modelle der Erwachsenenbildung zurück und unterstützen z. B. die Formulierung von Lernzielen oder die Auswahl passender Präsentationsformen und -medien. Die konkrete Umsetzung mit einer automatisierten Aufbereitung unterstützt die Überführung von Inhalte aus Fachtexten, Präsentationen oder Videos in interaktive Lerneinheiten, inklusive automatisch generierter Lernkontrollen, Reflexionsimpulse oder anwendungsnaher Aufgabenformate. Darüber hinaus soll sie stilistische Hilfestellungen bieten, etwa zur gendergerechten Sprache, zur Verbesserung der Verständlichkeit oder zur sprachlichen Vereinheitlichung. Die Wiederverwendung von Content-Bausteinen, die einfache Pflege dynamischer Inhalte sowie die Versionierung für kollaboratives Arbeiten soll AutorInnen nicht nur bei der technischen Erstellung, sondern auch bei der didaktischen Konzeption zu entlasten, ohne dass sie selbst über tiefere medienpädagogische Kompetenzen verfügen müssen. Gleichzeitig ergeben sich aus dieser Form der KI-gestützten Unterstützung für AutorInnen spezifische Risiken, die im Entwicklungsprozess aktiv adressiert werden müssen. Dazu zählen insbesondere:

  • Unreflektierte Übernahme automatisierter Vorschläge, was zu inhaltlich oder didaktisch unangemessenen Lernangeboten führen kann.

  • Fehlende Kontextsensibilität: Formal korrekte Inhalte können im betrieblichen, interkulturellen, sprachlichen oder rechtlichen Kontext unpassend sein.

  • Didaktische Verflachung, wenn AutorInnen sich zu stark auf die automatischen Strukturen verlassen und dadurch kreative, zielgruppenspezifische Lösungen unterbleiben.

  • Mangelnde Konsistenz bei mehreren AutorInnen, insbesondere bei kollaborativem Authoring ohne redaktionelle Abstimmung.

  • Urheberrechtliche Risiken, wenn KI-generierte Inhalte mit externem Material angereichert werden, dessen Nutzungsrechte unklar sind.

  • Überforderung unerfahrener AutorInnen, wenn die Vielzahl an Optionen und automatischen Vorschlägen zu Unsicherheit oder Fehlentscheidungen führt.

Unser Digitalformat wird diesen Herausforderungen durch eingebaute Plausibilitätsprüfungen, Feedbackmechanismen, kontextabhängige Warnhinweise und optionale Review-Funktionen begegnen. Ziel ist eine Plattform, die nicht nur Inhalte erstellt, sondern AutorInnen bei der pädagogischen Reflexion begleitet und weiterbildet. Die Kombination aus adaptiver Inhaltsgenerierung und didaktischer Assistenz eröffnet neue Wege für qualitativ hochwertige, betriebsnahe Lernangebote. Sie bringt aber auch Herausforderungen mit sich, für die es bislang kaum technische Standards oder erprobte Prozesse gibt.

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